30.11.23 (10)

Andrea Drescher

Der Jurist und Kommunikationsexperte Claudio Zanetti hat das Argumentarium KA1012-12-November 2023 für die 584 Strafanzeigen des ZAAVV entwickelt. Dieses dient am 10.12.2023 in Karlsruhe dazu, dass man sich nicht in der Vielzahl der Angriffe gegen die Menschenrechte juristisch verliert, sondern auf der für diesen Tag geplanten Kundgebung und Pressekonferenz das Kernthema der Strafanzeigen konsequent fokussiert.

Das Schweizer Gründungsmitglied des “Zentrum zur Aufarbeitung, Aufklärung, juristischen Verfolgung und Verhinderung von Verbrechen gegen die Menschheit aufgrund staatlicher Corona-Maßnahmen” (ZAAVV) lebt mit seiner Frau im Zürcher Oberland. Der Jurist und ehemalige Nationalrat startete seine berufliche Karriere als PR-Berater in einer Zürcher Kommunikationsagentur mit nationaler und internationaler Ausstrahlung. Bevor er im Jahre 1999 die Geschäftsführung der SVP des Kantons Zürich übernahm, arbeitete er mehrere Jahre als Divisionsmanager auf nationaler Ebene in einem Wirtschafts- und Arbeitgeberverband. Von 2003 bis 2015 war er Mitglied des Zürcher Kantonsrats, von 2015 bis 2019 des Nationalrats. Heute arbeitet er selbstständig im Bereich Medien- und Öffentlichkeitsarbeit. Näheres unter zanetti.ch.

Warum engagierst Du Dich im Corona-Widerstand?

Vorneweg gesagt: meine Frau und ich sind geimpft. Sie aufgrund des Drucks, dem sie im Gesundheitsbereich unterlag, ich eigentlich mehr aus Bequemlichkeit. Ich weiß inzwischen, dass es ein Fehler war, aber da ich kein Impfgegner war und bin, dachte ich, es ist eine vernünftige Sache. Es sind dann aber Dinge passiert, die ich nicht erwartet hatte. Es gab Grenzüberschreitungen, die man nicht hinnehmen kann, insbesondere aus rechtlicher Sicht.

Es hieß anfangs, die Israelis wollen einen Impfstoff entwickeln. Ich dachte sofort an einen normalen Impfstoff, wie wir ihn auch von anderen Krankheiten kannten. Darum war ich zunächst der Meinung, dass das mit der Impfstoffgefahr total übertrieben wird. Impfung hieß für mich, es wird ein Erreger injiziert, damit der Körper selbst Abwehrstoffe entwickelt.

Erst kamen die seltsamen Meldungen aus Wuhan und mir drängte sich der Verdacht auf, es wird etwas verschleiert. Die Bilder aus Bergamo haben mich auch wieder verunsichert – aber dann habe ich mitbekommen, dass viele der Bilder nicht von dort stammten. Wir wurden angelogen; niemand hat sich bemüht, die Relationen zu wahren, sondern es wurde Panik verbreitet. Beeindruckt hat mich das Spitalschiff, das extra nach New York gebracht wurde, um dann zu erfahren, dass es nie richtig ausgelastet war. Als Präsident Trump sich bemühte, die Impfstoffentwicklung voranzutreiben, wurde er lächerlich gemacht. Nach der verlorenen Wahl war der Impfstoff auf einmal da. Mir drängte sich der Eindruck auf, es geht nicht um die Sache, sondern um Politik. Als dann sogar Definitionen von „Impfung“, „Epidemie“ und „Pandemie“ den politischen Bedürfnissen angepasst wurden, war für mich der Fall endgültig klar.

Es stimmte einfach nichts, gleichzeitig kamen die Menschenrechte immer mehr unter einen absurden Druck.

Kannst Du dafür ein Beispiel geben?

Da gab es vieles, der Test- und Masken-Zwang, die Demonstrationsverbote, das offensichtliche Defacto-Verbot des “Streites in der Wissenschaft”. Die Wissenschaft braucht unbedingt den Diskurs, braucht den positiven Streit um das Gute. Wir streiten viel zu wenig. Wenn Meinungen a priori für richtig erklärt werden, anderen die Legitimation abgesprochen wird, dann ist das enorm problematisch und letztlich tödlich für die Demokratie.

Der Zugang zum Zürichsee wurde hermetisch abgeriegelt, Polizeitrupps waren unterwegs, um die Korrektheit der Abstände bei Spaziergängern zu überprüfen. Alle sind einfach übergeschnappt. Völlig absurd war die Frauen-Demonstration in Zürich, bei der es um Frauenrecht und gegen Männergewalt ging. In einer Zeit, in der die Corona-Demos verboten waren, wurde diese Frauen-Demo von der Polizei sogar per Transparent begrüßt. Andere Kundgebungen wurden im Keim erstickt. Die Schweiz entwickelte ein Regime, das rein willkürlich agierte.

Wie meinst Du das?

Die Schweiz war immer sehr vorsichtig und hat sich planerisch gut auf mögliche Katastrophen vorbereitet. Seit Jahren heißt es, dass eine Strommangellage und Pandemie die beiden größten Gefahren für uns sind. Doch wie haben die Regierenden reagiert? Im vollen Wissen, dass Stromknappheit droht und sich die Bevölkerung rasant vergrößert, haben sie ein Atomkraftwerk vom Netz genommen. Man hat also genau das Gegenteil vom Richtigen gemacht, und was die Pandemie angeht, wurden überhaupt keine Vorbereitungen getroffen.

Darum gab es ja anfänglich auch kaum Masken. Darum hieß es seitens der Behörden “Masken bringen nichts”. Dann wurde eine Maschine zur Maskenherstellung erworben und auf einmal gab es die Maskenpflicht. Es wurde argumentiert, wie es gerade passte. Von der Wahrung der Verhältnismäßigkeit ganz zu schweigen. Die Grund- und Freiheitsrechte wurden unter dem Motto “Wir haben Notstand” mit Füssen getreten. Das widersprach allem, was zu meinem grundsätzlichen Rechtsverständnis gehört.

Wie ist denn da die Rechtslage aus Deiner Sicht und was ist bei Euch in der Schweiz passiert?

Als besonders schwerwiegend empfand ich die weitgehende Ausschaltung der Gewaltentrennung und der Gewaltenhemmung. „Checks and Balances“ wurden als lästig beiseitegeschoben und selbst in den Medien herrschte eine gefährliche Einigkeit. Zu Letzterem habe ich einmal auf Twitter geschrieben, dass die schlimmste Form der Gleichschaltung die freiwillige sei…

Grund- und Freiheitsrechte sind keine Schönwetterkonzepte, diese müssen sich gerade in Zeiten der Not bewähren. Es darf nicht sein, dass derjenige, dem im Falle eines Ausnahmezustands Sonderkompetenzen zufallen, selbst den Ausnahmezustand ausrufen kann.

Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand bestimmt, sagte Carl Schmitt. Man kann das Stimmvolk nicht Souverän nennen und am Ende entscheidet eine Verwaltungsbehörde darüber. Im Kanton Zürich sind sie so weit gegangen, dass die kantonale Gesundheitsdirektion dem Parlament eben mal die Bewilligung zum Tagen abgesprochen hat. Das hat mich schockiert, das war eigentlich ein Putsch. Die Verwaltung hat dem Parlament nichts zu genehmigen oder zu verbieten.

Um es klar zu sagen: mir geht es nicht darum, ob es klug war, sich zu treffen, oder nicht. Es geht nicht um den Entscheid als solchen, sondern wer ihn fällt. Ein Entscheid von dieser Tragweite liegt beim Parlament. Das waren schwerwiegende Verstöße gegen die Gewaltentrennung und die Rechtsordnung, die aber mehrheitlich einfach hingenommen wurden. Darüber bin ich auch nicht bereit zu verhandeln, das Parlament steht über der Regierung, also bestimmt das Parlament.

Das war ja in Deutschland und Österreich nicht unähnlich.

Stimmt, in Deutschland waren es das RKI, die Stiko und Christian Drosten, deren Aussagen auf einmal dem Evangelium gleichgesetzt wurden. Bei uns gab es tägliche Medienkonferenzen, in denen die Verwaltung überhöht wurde, ohne dass diese ihrer wirklichen Aufgaben gerecht wurde.

Wo siehst Du die Defizite?

Sie gingen davon aus, dass es eine gefährliche Pandemie gäbe. Dann wäre es aber normal gewesen, zu wissen, wie viele Betten zur Verfügung stehen. Es hätte vergleichbare Zahlen von der WHO, europäischen und nationalen Gesundheitsbehörden geben müssen. Das alles war aber nicht verfügbar. Wie will man in einer außerordentlichen Lage ohne verlässliche Daten entscheiden? Böse gesagt: da gibt es leistungsstarke Computer, elektronische Patientendossiers – aber die einfachsten Sachen, die sich mit Strichliste bewerkstelligen lassen, haben sie nicht hinbekommen. Wir wussten rein gar nichts, aber es wurde mit unvergleichbaren Zahlen jongliert. Langsam verzieht sich der Nebel und wir sehen anhand von Schweden, dass es ohne Hysterie viel besser verlaufen ist. Anstatt auf einfache Excel-Tabellen mit vergleichbaren Zahlen setzten die „Experten“ auf irgendwelche Modelle, die niemand wirklich versteht, und die nicht richtig funktionieren. Und nun machen sie das Gleiche mit dem Klima…

Die haben mit uns gespielt. Darum müssen wir uns zur Wehr setzen und das auch mit entsprechenden Strukturen.

Wie verlief die Corona-Pandemie in der Schweiz, gab es eine einrichtungsbezogene Impfpflicht?

Sie wollten zwar eine Impfpflicht durchsetzen, sind aber nicht so weit gegangen. So übel wie in Deutschland, Italien oder Österreich war es nicht, es blieb bei Empfehlungen und moralisierendem Druck. Sie wussten bzw. fürchteten wohl, dass sich bei uns der Volkszorn regt, wenn sie die Linie überschreiten. Man darf nicht übersehen: jeder Schweizer hat die Waffen von seinem Militärdienst zuhause. Ob es zu einem Bürgerkrieg hätte kommen können, weiß ich nicht, aber die Skepsis gegenüber den Maßnahmen der Regierung hat im Laufe der Zeit immer mehr zugenommen. Darum ließ sich der Staat auch gesetzlich zu Schadensersatz durch die Maßnahmen verpflichten.

Gibt es etwas Vergleichbares zu den Anwälten für Aufklärung auch in der Schweiz?

Ja, es gibt mehrere Organisationen. Ich persönlich habe mich bei “Gesund und Frei” für eine Abstimmungskampagne gegen ein Covid-Gesetz engagiert, die haben wir aber leider verloren. Dann bin ich parteipolitisch aktiv, und nun bin ich Co-Geschäftsführer der „9G Werkstatt AG“ des ZAAVV zusammen mit Ralf Ludwig. In der Zusammenarbeit habe ich auch gemerkt, wie schlimm in Bezug auf Menschenrechte die Situation in Deutschland ist. Das toppt uns in der Schweiz noch deutlich.

Inwiefern schlimm?

Nimm den Fall Michael Ballweg. Er war neun Monate inhaftiert und es reicht nicht mal zu einer Anklage. Da müsste eigentlich der Staatsanwalt jetzt angeklagt werden. Strafrecht ist von seinem Wesen her Freiheitsrecht. Es legt die Bedingungen fest, zu denen der Staat in die Rechte des Menschen eingreifen darf. Wird der Staat übergriffig, wie das bei Ballweg und auch anderen der Fall ist, wird es beunruhigend. Auch hier: ein Angriff auf die Menschenrechte.

Zurück zu den Menschenrechten und den Anzeigen bzw. dem Argumentarium für Karlsruhe? Darf ich das veröffentlichen?

Selbstverständlich. Das soll sogar jeder lesen können. Es dient zwar primär uns selbst, damit wir bei der Kundgebung “auf Linie” bleiben und uns in der Argumentation nicht verzetteln. Aber ich halte es für wichtig, dass möglichst viele den Kern der Anzeigen verstehen.

Was meinst Du mit verzetteln?

Es gibt in diesem Bereich viele Themen und Punkte, über die man reden muss. Beispiele wären die Wirkung der Impfung oder die Verletzung der Medienfreiheit. Das sind alles Aspekte, die wichtig und in der Aufarbeitung generell relevant sind, sie würden aber vom Kern der Anzeige ablenken und eine große Beweislast nach sich ziehen.

Der Ansatz von Ralf Ludwig ist eindeutig und bestechend simpel: Das Verbot der Abwägung – also zu entscheiden, welches Menschenleben höher zu werten ist – wurde in Deutschland mehrfach ausjudiziert. Der Staat darf kein einziges Leben gefährden, um andere zu schützen. Das immerwährende Folterverbot aus dem Fall Gäfgen ist da ebenso eindeutig wie das Abschussverbot im Fall einer entführten Passagiermaschine, die als Bombe auf eine Stadt verwendet werden könnte. Nicht ohne Grund steht der Satz von der Unantastbarkeit der Menschenwürde an erster Stelle im Grundgesetz.

Die, gegen die sich die Anzeigen richten, wussten, dass Menschen zu Schaden kommen. Sie hätten die Impflicht, ob einrichtungsbezogen oder nicht, nicht erwägen bzw. schon gar nicht verabschieden dürfen. Das Argument “Wir haben so viele gerettet, daher müssen wir die geringere Anzahl Tote als Kollateralschaden in Kauf nehmen” ist gesetzlich ausgeschlossen.

Ich habe diesen im Ansatz sehr einfachen Gedanken stringent dargelegt. Die Leitsätze der Gerichte sind da von einer unglaublichen Klarheit. Sie sprechen dem Staat bereits das Recht ab, darüber überhaupt nachzudenken. Auch wenn es sich, wie im Fall Gäfgen, “nur” um Schwitzkasten und verdrehte Handgelenke gehandelt hätte, die Gerichte sagen: NEIN. Selbst wenn das ganze Gemeinwesen vom Untergang bedroht ist, darf das nicht getan werden. Der Schutz der Menschenwürde hat einen höheren Stellenwert.

Was erwartest Du, wie werden Staatsanwaltschaft und Gerichte darauf reagieren?

Es wird ihnen sehr unangenehm sein, denn wir machen ihnen deutlich, dass sie etwas sehr Verwerfliches getan haben. Sie müssen sich – und den Zustand der deutschen Justiz – erklären. Und der ist spätestens seit der Besetzung des Bundesverfassungsgerichts mit Stephan Harbarth nicht wirklich leicht zu erklären.

Es gab ja gerade erst vor kurzem wieder ein Treffen von Bundesverfassungsgericht und Bundeskabinett. Selbst in der Welt konnte man lesen: “Die erneute Geheimniskrämerei um das Treffen von Richtern und Bundeskabinett” – was hältst Du davon?

Das ist im höchsten Maße beunruhigend. Die Gewaltentrennung ist ein wichtiges Element zum Schutz der Bürger. Setzt man sich darüber hinweg, leiden die Bürger. Während der Corona-Zeit war das wichtigste Gremium in Deutschland eine in der Verfassung nicht vorgesehene “Schalte der Ministerpräsidenten”. Wenn es so einfach ist, die verfassungsmäßige Ordnung außer Kraft zu setzen, muss das den Bürgern Angst machen. Dass das nicht ohne Folgen bleiben kann, wird auch durch unsere Strafanzeigen sichtbar gemacht.

Ich bin wirklich sehr gespannt, wie die Institutionen reagieren werden. Ich wünsche uns allen viel Erfolg!


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