Während in zahlreichen europäischen Ländern gegen den russischen Angriff auf die Ukraine protestiert wird, formiert sich in Serbien ein Zug von Pro-Putin-Demonstrierenden. Die unterstützen Putins Narrativ von der Entnazifizierung der Ukraine.
In der serbischen Hauptstadt Belgrad sind rund tausend pro-russische Demonstranten auf die Straße gegangen, um ihrer Unterstützung für den russischen Einmarsch in die Ukraine Ausdruck zu verleihen. “Putin, Putin. Serbien und Russland, Brüder für immer”, heißt es. Mit russischen Flaggen und Bildern von Kreml-Chef Wladimir Putin zogen die Demonstranten am Freitagabend durch das Stadtzentrum. Viele skandierten dabei NATO-feindliche Parolen. “Die Ukraine wird derzeit von Neonazis befreit”, sagte der 22-jährige Demonstrant Nikola Babic der Nachrichtenagentur AFP. “Die Russen – unsere Brüder – befreien das Land und hoffentlich die Welt.” Putin begründete den Angriff auf die Ukraine unter anderem damit, die Ukraine entnazifizieren und entmilitarisieren zu wollen.
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Während in vielen anderen europäischen Großstädten derzeit Proteste gegen die russische Invasion in der Ukraine stattfinden, unterstützen viele Serben den russischen Präsidenten Putin. Eine Reihe serbischer Medien verteidigte in den vergangenen Tagen dessen Angriff auf das Nachbarland. Serbiens Präsident Aleksandar Vucic befindet sich im Wahlkampf, Anfang April wird auch über seine politische Zukunft abgestimmt. Er vermeidet eine klare Linie gegenüber Moskau, denn in Serbien gibt es eine nicht zu kleine prorussische Wählerschaft, Serbien ist traditionell ein enger Verbündeter Russlands.
Zwar rang sich Vucic am vergangenen Wochenende dazu durch, “volle Unterstützung für die territoriale Integrität der Ukraine” zuzusichern. An Sanktionen gegen Russland werde sich sein Land aber nicht beteiligen. In der UN-Vollversammlung stimmte Serbien am Mittwoch zwar für eine UN-Resolution, die den Angriff Russlands auf die Ukraine verurteilt. Dort ist aber von Sanktionen keine Rede. In der UN-Vollversammlung hatten unter 181 Nationen neben Russland nur Eritrea, Nordkorea, Belarus und Syrien gegen die Resolution gestimmt. Serbien selbst ist EU-Beitrittskandidat, unterhält aber auch enge Verbindungen zu Russland.
Die NATO-Luftangriffe sind nicht vergessen
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Der ARD hatte der ehemalige serbische Botschafter in Berlin, Ivo Viskovic, seinem Land mit Blick auf die Haltung Serbiens in der aktuellen Situation eine schlechte Figur attestiert: “Ich denke, das ist ein nicht gerade ruhmreicher – oder um es offen zu sagen, ein schändlicher Moment in unserer Geschichte. Denn weder das ukrainische Volk, noch die ukrainische Führung haben Serbien je etwas Schlechtes getan, so Viskovic. Und von unserer Seite wird das leider im Moment mit einer ziemlich großen Gleichgültigkeit den Opfern gegenüber vergolten.”
Der Politikwissenschaftler erinnerte aber auch daran, dass Serbien einst von der NATO bombardiert worden war. Fast drei Monate lang dauerten die Luftangriffe der NATO während des Kosovo-Krieges 1999 an. Die Bombardierung steckt im kollektiven Bewusstsein der Serben. Es gebe in Serbien “eine Art krankhafte Liebe Russland gegenüber, die nicht auf fundierten Standpunkten basiert, sondern einzig eine Art Widerstand gegen den Westen ist”, sagt Viskovic. Die Stimmung im Land werde sich aber wohl noch verändern, je länger der Krieg andauere, vermutet Viskovic: “Ich denke, dass einige in Serbien begriffen haben, insbesondere nach den Protesten in Russland selbst, dass es hier um etwas geht, dass noch nicht mal alle Russen rechtfertigen. Und es wäre ja wirklich Nonsens, wenn die Serben größere Russen wären als die Russen selbst.”