Sollte Sahra Wagenknecht es wagen und mit einem neuen Wahlprojekt in den politischen Ring steigen, hätte sie das Potential die politische Landkarte Deutschland nachhaltig umzufärben. Für ihre aktuelle Partei „Die Linke“ wäre das aber das Ende. 

Sahra Wagenknecht drückt spätestens seit Corona der deutschen Politik ihren Stempel auf. Sie war der lauteste Corona-Kritiker aus der Linken, plädiert für eine anderen (NATO-kritischen) Kurs zu Russland und warnt vor den Grünen. Das zahlt sich aus: Eine jüngste Umfrage zeigt das hohe Potential, das eine neue Partei unter ihrer Führung haben würde. Bisher ist sie weiterhin Parteimitglied der Partei „die Linke“. Doch die Positionen ihrer Partei stehen ihren Positionen fast diametral entgegen. Denn die Parteispitze steht hinter dem NATO-Kurs gegen Russland und propagierte zuvor Maske, Spritze und Lockdowns. Auch die massive Niederlage bei der letzten Bundestagswahl änderte nichts an diesem Kurs.

Wagenknecht mit hoher politischer Anziehungskraft

Über eine neue Partei, angeführt von Wagenknecht, wird bereits seit Monaten spekuliert. Sie selbst hält ich bedeckt. Wie groß das Potential dieser neuen Partei wäre, zeigt aber eine aktuelle Forsa-Umfrage. Ganze 19 Prozent der deutschen Wähler könnten sich aktuell vorstellen, eine solche Partei zu wählen. In Ostdeutschland läge das Potential sogar bei 28 Prozent.

Glaubt man der Umfrage, würde diese neue Partei das Ende für die Partei „Die Linke“ bedeuten. 55 Prozent der Linke-Anhänger könnten sich vorstellen, Wagenknecht zu wählen. Aber auch die AfD hätte eine neue schwerwiegende Konkurrenz. So fühlen sich sogar 74 Prozent der AfD-Anhänger von Wagenknechts Linie angesprochen. Wohl auch, weil Wagenknecht der Massenmigration durchaus kritisch gegenübersteht, allerdings auf völkisch-nationalistische Rhetorik, wie sie teilweise aus der AfD kommt, verzichtet. Zudem unterscheidet sie sich vom wirtschaftsliberalen Zugang der AfD deutlich, dennoch will sie nicht nur die typische Arbeiterklasse, sondern auch die Klein- und Mittelunternehmen entlasten.

Eine Wagenknecht-Partei würde als nicht nur das Ende der Partei „Die Linke“ einleiten, sondern auch der AfD „in erheblichem Maße schade“, wie der Chef des Forsa-Instituts, Manfred Güllner, erläutert. Die Umfrage scheint also deutlich zu zeigen, dass Wagenknecht die politische Kraft haben würde, die parlamentarische Opposition in Deutschland gänzlich zu erschüttern und neu zu gestalten. Wohl auch deshalb gibt sich die Ostdeutsche stets vorsichtig. Es sei keinesfalls einfach, eine Partei zu gründen, hört man häufig.

„Die Linke“ am Ende

Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine hat die „Linke“ mittlerweile verlassen. Er legte kürzlich mit „Ami, its time to go“ ein neues Buch vor. Sahra Wagenknecht rechnete bereits in ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ Anfang 2021 mit dem herrschenden Zeitgeist innerhalb der Linken ab. Sie sieht es als notwendig an, dass man sich wieder der typischen Arbeiterklasse hinwendet und ökonomische Ausbeutung in das Zentrum der Politik stellt. Die gegenwärtige „Lifestyle-Linke“ rekrutiert sich dagegen aus dem akademisch-urbanen Milieu und setzt auf Antidiskriminierungskämpfe und eine Diversity-Agenda. Für Klassenpolitik im Sinne der traditionellen Linke interessiert sie sich aber kaum mehr.

Auch das linke Magazin „Jacobin“ attestiert kürzlich eindeutig: „Die Partei bricht auseinander“. Die Differenzen seien nicht mehr überbrückbar. So sei die Frage nicht mehr, ob die Partei auseinanderbricht, sondern nur noch wann. Der traditionell antiimperialistische Flügel – NATO und USA-kritisch – ist mit dem transatlantischen Flügel der Partei nicht mehr zu vermitteln.

Jeder Realist dürfte mittlerweile zu einem solchen Urteil kommen. Wie groß die Gräben sind, zeigt sich etwa in Hamburg rund um Bijan Tavassoli. Er ist Mitarbeiter des Wagenknecht-Vertrauten und Partei-Urgesteins Dieter Dehm. Tavassoli identifiziert sich nach eigenen Angaben mittlerweile als „Transmuslima“ und führt damit die Gender- und Kulturpolitik der eigenen Partei im Stile eines modernen Till Eulenspiegels ad absurdum. (Im „Wochenblick“ kann man ein unterhaltsames Interview mit Tavassoli nachsehen).

Ob Wagenknecht den Schritt einer Parteigründung (oder eine „Liste Wagenknecht“) aber wirklich wagt, wird sich wohl im Laufe des nächsten Jahres zeigen. Die nächste größere Wahl wäre die Europawahl 2024, die offenbar ins Auge gefasst wird.

Bild DIE LINKE, Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine in Weimar – 51402380297CC BY 2.0

Quelle: tkp.at