von Thomas Oysmüller

Russlands digitales Zentralbankgeld geht in die heiße Phase. Ab Samstag werden echte Transaktionen von echten Menschen durchgeführt. Ab 2024 soll der digitale Rubel allgemein eingeführt werden.

In der EU ist der „digitale Euro“ bis zum Herbst in der Pilotphase. Auch der „digitale Rubel“ ist in einem Pilotprogramm, dürfte aber bereits einen Schritt weiter sein als der „digitale Euro“. Der rechtliche Rahmen soll in den nächsten vier Wochen ratifiziert werden. Und am Samstag beginnt die Testphase. Es werden „echte Transaktionen“ von „echten Kunden“ durchgeführt. 2024 soll der Rubel flächendeckend eingeführt werden. Der Kreml argumentiert das Tempo beim digitalen Rubel auch mit den Sanktionen. Wenn dann die Pilotphase, an der dreizehn russische Banken beteiligt sind, abgeschlossen ist, ist Russland bereit für die „dritte Form“ der „nationalen“ Währung.

Nur “neues” Geld

Über die großen Schritte des digitalen Rubel berichtet der „Off-Guardian“-Journalist Riley Waggaman vor wenigen Tagen auf seinem „Substack“-Blog. Auch im Schweizer Boulevard konnte man darüber nachlesen. Der neue digitale, zentralisierte, rückverfolgbare und programmierbare Rubel ist also fast da. Wie auch beim „digitalen Euro“ handelt es sich nicht nur um eine „digitale Version“ von Cash. Beides sind Arten von digitalem Zentralbankgeld (CBDC, für „Central Bank Digital Currency“).

Den Unterschied zwischen CBDC und einfach einer anderen Form von „digitalem Geld“ brachte zuletzt die Journalistin Eva Vlaardingerbroek auf den Punkt. Mit einer „Mastercard“-Zahlung oder mit „Zahlen mit Karte“ an der Kasse hat CBDC wenig zu tun. Dezentralisierte Kryptowährungen wie Bitcoin sind ebenfalls etwas anderes:  „Digitales Zentralbankgeld ist nicht einfach eine andere Form von “digitalem Geld”. CBDC lassen sich am besten als digitale Kredite bezeichnen, weil sie programmierbar sind – was bedeutet, dass die Regierung entscheiden kann, wofür Sie das Geld ausgeben dürfen und wofür nicht. Das ist Neo-Feudalismus, Leute.“

Dabei verweist Vlaardingerbroek auf die Bank of England, die den Finanzminister schon vor bald 2 Jahren aufgefordert hatte, zu entscheiden, ob das Zentralbankgeld „programmierbar“ sein sollte. So hätte der Geldausgeber, die Zentralbank, „die Kontrolle darüber, wie die Währung vom Empfänger ausgegeben wird.“

Kritik in Russland

Aber anders als in den Regimemedien der EU sind im russischen Mainstream durchaus kritische Stimmen zu vernehmen. Stimmen, die weltweit lauter werden müssten. Waggaman verweist etwa auf eine Zeitung aus Madagan, einer Hafenstadt am Pazifik. Dort heißt es äußerst kritisch:

„Experten glauben, dass die Einführung des digitalen Rubels zu einer totalen Kontrolle durch den Staat führen wird. Jeder Rubel wird seinen eigenen Code haben – ein Analogon der Nummer auf einer Banknote. Wenn jeder Rubel markiert ist, bedeutet dies, dass es keine Probleme geben wird, absolut alle Geldtransaktionen der Russen zu verfolgen – die Behörden werden in der Lage sein herauszufinden, wo der Bürger das Geld erhalten hat, an wen er es geschickt hat, was er bezahlt hat, was er gekauft hat.

Generell wird das Leben unter digitaler Überwachung stehen, sagen Ökonomen. Das Konzept des Privatlebens wird einfach verschwinden. Für die Behörden wird es einfach sein, die Bürger zu bestrafen, einzuschränken und Dinge zu verbieten. Unerwünschte Personen können leicht von der digitalen Brieftasche getrennt werden. Und das war’s – eine [unerwünschte] Person hat nichts zu essen, nichts, um eine Wohnung zu bezahlen.“

Soviel zur „Pressefreiheit“ in Russland. Personen, die vor solchen Gefahren warnen, werden in Europa nicht als „Experten“ bezeichnen, sondern gelten als „Verschwörungstheoretiker“. In einem anderen russischen Medium ist zu lesen: „Die globale Finanzelite wird digitales Geld in Umlauf bringen.“

Eine Institution für die Aufsicht von traditionellen Werten, gegründet per Dekret durch Putin, warnte Anfang Februar anhand von 15 Punkten. Es gehe um grundlegende Rechte und Freiheiten der Bürger, denn der „digitale Rubel“ habe das Potential, langfristig Bargeld abzuschaffen. Man warnt vor allumfassender Kontrollfähigkeit des Staates auf seine Bürger. Außerdem sei es „illusorisch“ zu glauben, damit Sanktionen umgehen zu können.

Bild pixabay / amvego


Unsere Arbeit ist spendenfinanziert – wir bitten um Unterstützung.

Danke an tkp.at