Russland plant eine Sondersitzung im UN-Sicherheitsrat zum Anschlag auf Nord Stream. Aufdecker Hersh gibt in einem Interview neue Einblicke, was das Motiv der USA gewesen sein dürfte. Die Enthüllung könnte sogar bis zum Ende der NATO führen. 

In der „Berliner Zeitung“ erklärte sich Nord Stream-Aufdecker Seymour Hersh in einem Interview. Er gibt neue Einblicke zu seinen Recherchen und legt das Motiv der USA dar. Auch an den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz hätte Hersh viele Fragen. Etwa, ob ihn Biden über die Pläne informiert hatte. Klar ist, dass die Regierung einige Erkenntnisse zum Anschlag sogar dem Bundestag unterschlägt. Scholz weiß also mehr, als er öffentlich zugibt.

Massiver Schaden für Washington

Aber warum haben die USA den Anschlag durchgeführt? „Der Grund für die Entscheidung, Nord Stream zu sprengen, war, dass der Krieg für den Westen nicht gut lief und die USA Angst hatten, dass Deutschland die Sanktionen wegen eines kalten Winters aufheben würde.“

In einem Radio-Interview sprach Hersh bereits am Dienstag auch über die Kritik daran, dass er nur eine Quelle habe. Das muss gar nicht so sein. Er spricht vom obersten Prinzip des Investigativ-Journalismus: Quellenschutz. Durchaus möglich, dass er sich zu diesem Zweck nur auf eine Quelle berufen hat, obwohl er mehr hatte. Noch einmal wichtiger wird der Quellenschutz, wenn es um Staatsgeheimnisse und Geheimdienste geht. Ein Aufliegen der Quelle und sie wird (vielleicht bis zu seinem Tod) verfolgt. Seine Fakten hat Hersh jedenfalls gegengeprüft – dafür steht er mit seinem Namen.

Der Anschlag werde langfristig viel verändern, ist sich Hersh sicher. Und auch der Krieg wird anders als im Westen gewünscht ausgehen, sagt Hersh:

„Was ich weiß, ist, dass dieser Krieg auf keinen Fall so enden wird, wie wir es uns wünschen, und ich weiß nicht, was wir tun werden, wenn wir weiter in die Zukunft blicken. Es macht mir Angst, dass der Präsident zu so etwas bereit war. Und die Leute, die diese Mission durchführten, glaubten, dass der Präsident sich darüber im Klaren war, was er den Menschen in Deutschland antat, dass er sie für einen Krieg bestrafte, der nicht gut verlief. Und auf lange Sicht wird dies nicht nur seinen Ruf als Präsident beschädigen, sondern auch politisch sehr schädlich sein. Es wird ein Stigma für die USA sein.“

Er glaube nicht, dass die US-Regierung die Tragweite der Entscheidung bis zum Ende durchgedacht hatte. Auch wenn sich Teile der US-Wirtschaft, die nun Flüssiggas noch teurer nach Europa exportieren können, wohl darüber freuen:

Ich bin sicher, dass es einige Leute gab, die dachten: Junge, das wird der amerikanischen Wirtschaft einen langfristigen Schub geben. Aber im Weißen Haus war man, glaube ich, immer von der Wiederwahl besessen, und man wollte den Krieg gewinnen, man wollte einen Sieg erringen, man wollte, dass die Ukraine irgendwie magisch gewinnt. Es könnte einige Leute geben, die denken, dass es vielleicht besser für unsere Wirtschaft ist, wenn die deutsche Wirtschaft schwach ist, aber das ist verrückt. Ich denke, dass wir uns in etwas verstrickt haben, das nicht funktionieren wird, der Krieg wird für diese Regierung nicht gut ausgehen.“

Russland gab indes bekannt, dass man eine Sondersitzung im UNO-Sicherheitsrat zum Nord Stream-Anschlag vorbereite. Die Enthüllung hat beispiellose Sprengkraft, die Konsequenzen könnten noch viel weitreichender sein als Hersh vermutet. Es war ein Angriff von NATO-Staaten (Norwegen soll die USA unterstützt haben) auf ein anderes NATO-Land. In den Gründungspapieren der NATO kann man nachlesen, was das eigentlich bedeutet, wie Jonas Danner ausgegraben hat: Es wäre nichts anderes als das Ende des Militärbündnisses. Das war zumindest die Meinung 1949, im Gründungsjahr der NATO.

Bild Pjotr MahhoninSpirit of Europe Nord Stream Sign Tallinn 19 May 2014CC BY-SA 4.0

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Quelle: Danke an tkp.at