Von Jonas Aston, Max Mannhart und Pauline Schwarz.

In Stuttgart wird die Zwangsimpfung einer jüdischen Komponistin im Zuge einer Einweisung in eine Psychiatrie angeordnet. Die Polizei versuchte bereits den Beschluss umzusetzen. Mittlerweile hat das Landgericht Stuttgart die Umsetzung der Maßnahme mit sofortiger Wirkung außer Vollzug gesetzt. Die Hintergründe dieses einmaligen Vorgangs sind schleierhaft.

Das Betreuungsgericht Stuttgart hat am 6. Dezember 2022 ein bemerkenswertes Urteil gefällt: Nämlich die zwangsweise Durchführung einer Corona-Impfung.

Das Gericht bestätigt auf Anfrage von pleiteticker.de folgenden Vorgang: Die Ende der 1930er-Jahre in der Ukraine geborene Jüdin Inna Z. soll nach einem Beschluss des Betreuungsgerichts (auf Antrag ihrer gesetzlichen Betreuerin) zwangsweise in eine geschlossene psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses oder eine geschlossene Abteilung einer Pflegeeinrichtung eingewiesen werden. Hintergrund sind mehrere diagnostizierte schwerwiegende psychische Erkrankungen sowie internistische Erkrankungen, wegen denen die Betroffene nicht mehr allein lebensfähig sein soll – genau genommen, könne eine ärztliche Behandlung, sowie eine Tabletteneinnahme ohne Unterbringung nicht gewährleistet werden.


Die Durchführung der Impfung gegen Covid-19 sei „gegen den Willen der Betroffenen“ im Rahmen der Unterbringung zum „Wohle der Betroffenen“ erforderlich


In dem Beschluss genehmigte das Gericht der Betreuerin auch die Durchführung einer ärztlichen Zwangsmaßnahme – konkret, die doppelte Impfung gegen Covid-19.

Es heißt im Beschluss zur Begründung dieser Maßnahme, dass die Durchführung der Impfung gegen Covid-19 „gegen den Willen der Betroffenen“ im Rahmen der Unterbringung zum „Wohle der Betroffenen“ erforderlich sei, um gesundheitlichen Schaden abzuwenden. Warum die Impfung entscheidend ist, um den gesundheitlichen Schaden abzuwenden, wird jedoch nicht erläutert. Zudem sei zuvor erfolglos versucht worden, die Betroffene von der „Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen“.

Die Betreuerin fragte daraufhin Amtshilfe zur Durchführung dieses Beschlusses bei der Polizei an – das bedeutet, dass die Polizei die Unterbringung durchsetzt, wenn nötig auch unter Anwendung von Gewalt. Die Polizei bestätigte gegenüber pleiteticker.de die Durchführung dieser Amtshilfe am 11. Januar. Die Betroffene konnte allerdings nicht in ihrer Wohnung angetroffen werden, weswegen weder Zwangseinweisung noch Impfung bisher erfolgt sind.

Eigentlich extrem hohe juristische Hürden

 
Wie pleiteticker.de auf Anfrage erfuhr, setzte das Landgericht Stuttgart die Durchführung der Zwangsmaßnahmen dann am 11. Januar mit sofortiger Wirkung vorläufig außer Vollzug. Hintergrund ist zunächst keine inhaltliche Bewertung, sondern der Eingang einer Beschwerde gegen den Beschluss der Betroffenen. Diese sei jedoch erst am 10. Januar zugestellt worden, heißt es von der Pressestelle – also über einen Monat nach dem ursprünglichen Beschluss des Amtsgerichts.

Grundsätzlich sind für medizinische Zwangsmaßnahmen gegen nicht-mündige Personen in Deutschland extrem hohe Hürden gesetzt. In der Regel werden Zwangsmaßnahmen wie zwangsweise Unterbringung und Medikation nur genehmigt, wenn es um akute Lebensgefahr, um lebensrettende Operationen und ähnliches geht. Das geht sogar so weit, dass Betroffene häufig selbst bei akuter Eigen- und Fremdgefährdung (nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz) nicht oder nur sehr kurze Zeit zwangsuntergebracht werden. Behandlungen nach BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), die zur Heilbehandlung dienen, werden nur selten genehmigt.

Solange ein Mensch mündig ist, zählt nur, was er will

Laut dem Bundesverband der Berufsbetreuer gilt: Solange ein Mensch mündig ist, also eigene Entscheidungen treffen kann, zählt nur, was er will. Betreuer können in diesem Fall „nicht stellvertretend einwilligen und haben auch kein Vetorecht“. Wenn der Patient nicht einwilligungsfähig ist – wovon im Beschluss ausgegangen wird -, muss er „gefragt (und die Sache ggf. besprochen) werden. Im Regelfall ist dann seinen*ihren Wünschen zu folgen“. Eine Impfung gegen den Willen der Betroffenen sei auch mit Einwilligung des Betreuers nicht zulässig. Betreuer sind grundsätzlich dazu verpflichtet zum Wohle ihrer Betreuten zu entscheiden.

Wenn eine Behandlung gegen den Willen des Betroffenen – also eine Zwangsmaßnahme – erfolgen soll, ist also eine gerichtliche Anordnung notwendig. Diese Anordnung gab es – sie bleibt allerdings rechtlich fragwürdig.

Und abseits von der Rechtslage: Dass eine Frau, die als Jüdin in den 40er Jahren in der deutsch besetzten Gebieten der Sowjetunion, Vernichtungskrieg und Holocaust überlebte einer solchen medizinischen Zwangsmaßnahme ausgesetzt wird, ist eigentlich in diesem Land undenkbar.

Wie eine solche Zwangsmaßnahme angeordnet wird, obwohl die Impfung nicht nur den erwarteten Nutzen verfehlte, sondern ebenfalls eine nicht irrelevante Nebenwirkungsgefahr birgt, bleibt völlig schleierhaft.

Die gesetzliche Betreuerin der Betroffenen war auf Anfrage von pleiteticker.de nicht zu erreichen.

Quelle: Danke an pleiteticker.de