Mit dem vermehrten Einkauf von Gas in Form von LNG per Schiff wollen die europäischen Länder russisches Gas möglichst ersetzen. Einer der großen Player auf dem Flüssiggas-Markt ist jedoch Russland. Durch Rekord-LNG-Lieferungen behält Putin ein Druckmittel gegen die Europäer.
Europa importiert so viel Flüssiggas aus Russland wie nie zuvor. Während russische Gaslieferungen per Pipeline nahezu auf Null gesunken sind, stiegen die Importe von Flüssiggas (LNG) per Schiff in den ersten neun Monaten dieses Jahres um fast 40 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Das berichtet die “Financial Times”. Aus Russland kamen damit 16 Prozent des importierten LNG für Europa.
Insgesamt haben die europäischen Länder angesichts der bereits im vergangenen Jahr begonnen Lieferunterbrechungen bei den russischen Pipelines ihre LNG-Importe von Januar bis Oktober 2022 um 70 Prozent auf 111 Milliarden Kubikmeter gesteigert. Russland lieferte davon laut “FT” 17,8 Milliarden Kubikmeter. Hauptempfängerländer des russischen Flüssiggases waren Frankreich, Belgien, Spanien und die Niederlande.
Die Steigerung von LNG-Importen ist das zentrale Element bei Europas Versuch, angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine die bislang dominierenden Einfuhren von Gas per Pipeline aus Russland zu ersetzen. Allerdings ist Russland auch beim LNG einer der großen Exporteure und ersetzt einen Teil der weggefallenen Pipelinelieferungen offenbar durch eigenes Flüssiggas. Erdgas, egal ob per Pipeline oder Schiff geliefert, ist von den EU-Sanktionen gegen Russland ausgenommen.
Während Russland seine Lieferungen durch die Pipelines Nord Stream 1 und Jamal bereits seit Monaten komplett eingestellt hat, fließt durch die Ukraine und die Pipeline Turkstream weiter russisches Gas nach Europa. Die Pipelines Nord Stream 1 und 2 sind inzwischen durch Explosionen zerstört worden. Im Vergleich zu diesen Lieferungen per Pipeline von mehr als 60 Milliarden Kubikmetern in den ersten drei Quartalen dieses Jahres, fallen die LNG-Importe aus Russland weiterhin gering aus. Die starke Zunahme zeigt allerdings die Schwierigkeiten Europas, sich aus der Abhängigkeit vom russischen Gas zu lösen.
Die Präsenz auf dem LNG-Markt gäbe Russlands Präsident Wladimir Putin damit die Möglichkeit, sein Gas weiter als Waffe zu nutzen und die volatilen Gaspreise in die Höhe schießen zu lassen, warnt die Energieexpertin Anne-Sophie Corbeau in der “FT”. “Eines Morgens könnte Putin sagen: ‘Wir stoppen die LNG-Lieferungen nach Europa’ und den Kontinent damit zwingen, auf einem noch teureren Spot-Markt einzukaufen.”
Quelle: ntv.de, mbo