Westliche Medien und Politiker verbreiten die Legende, dass Russland angeblich sowohl die eigenen Getreidelieferungen zurückhält, als auch den Getreideexport aus der Ukraine verhindert. Beides ist nicht wahr.

Wer den Getreideexport verhindert

Den Getreideexport aus Russland verhindern die westlichen Sanktionen gegen russische Banken und Häfen, denn wenn man das russische Getreide wegen der Sanktionen gegen russische Banken nicht bezahlen kann, dann liefert Russland natürlich auch kein Getreide. Außerdem wurden viele russische Häfen sanktioniert, weshalb von denen aus kein Getreide exportiert werden kann.

Den Getreideexport aus der Ukraine verhindert Kiew, weil es seine Häfen vermint hat, sodass keine Handelsschiffe rein oder rauskommen. Die Minen will Kiew erst räumen, wenn der Westen Kiew die Waffen liefert, die Kiew haben will. Es ist also nicht Russland, dass den Getreideexport aus der Ukraine verhindert, es ist die Ukraine. Und das wird in Kiew auch ganz offen gesagt.

In Afrika weiß man all das sehr genau. Macky Sall, Präsident von Senegal und derzeit Präsident der Afrikanischen Union, hat Anfang Juni den russischen Präsidenten Putin besucht und vor den Gesprächen zu Putin gesagt:

„Die Sanktionen gegen Russland haben diese Situation noch verschärft und jetzt haben wir keinen Zugang zu Getreide aus Russland, insbesondere zu Weizen aus Russland. Und vor allem haben wir keinen Zugang zu Düngemitteln, denn die Situation war schon schwierig und ist jetzt noch schwieriger geworden, was sich auf die Ernährungssicherheit in Afrika auswirkt.
Ich habe gerade heute Morgen mit meinem Kollegen von der Kommission der Afrikanischen Union gesprochen und ihm gesagt, dass es zwei Hauptprobleme gibt – die Krise und die Sanktionen. Wir müssen zusammenarbeiten, um diese beiden Probleme anzugehen, damit Lebensmittel, insbesondere Getreide und Düngemittel, von den Sanktionen ausgenommen werden.“

Im Klartext: In Afrika beschuldigt man den Westen, schuld an der Krise zu sein, und fordert explizit eine Lockerung der Russland-Sanktionen, um die drohende Hungersnot zumindest abzumildern. Das verschweigen die deutschen „Qualitätsmedien“ ihren Lesern allerdings.

Die EU hat sogar Düngemittel aus Russland und Weißrussland – den beiden größten Düngemittelproduzenten der Welt – unter Sanktionen gestellt. Nicht Russland ist schuld daran, dass Düngemittel weltweit knapp sind, sondern die Sanktionen der EU. Importeure aus anderen Staaten haben nun Angst, Düngemittel aus Russland und Weißrussland zu importieren, weil die EU sie für ein Unterlaufen der EU-Sanktionen bestrafen könnte.

Die befürchtete Hungersnot

Der Westen beschuldigt Russland trotzdem, vor allem in den ärmsten Ländern der Welt ein Hungersnot zu verursachen. Diese Sorge kann man dem Westen nun nehmen, denn der russische Präsident Putin hat bei einem Treffen mit Dmitri Sergejew, dem Chef der russischen der Vereinigten Getreidegesellschaft, einen Beschluss von Sergejew unterstützt. Sergejew sagte bei dem Treffen mit Präsident Putin unter anderem:

„Unser Hauptziel ist es, die Vermittlung durch internationale Händler loszuwerden und direkt mit den Einfuhrländern zusammenzuarbeiten. Ägypten ist wahrscheinlich unser wichtigster, nennen wir es mal so, Kunde. In zwei Agrarsaisons nahmen wir mit 1,5 Millionen Tonnen Weizen den ersten Platz unter den russischen Exporteuren ein.
Wir gehen auch aktiv dazu über, mit unseren Partnern aus befreundeten Ländern in den Landeswährungen abzurechnen. So haben wir bereits mehrere Verträge mit türkischen Partnern unterzeichnet, den letzten im März dieses Jahres, die Bezahlung erfolgt in Rubel und der Gesamtbetrag beläuft sich auf drei Milliarden Rubel.“

Was bedeutet das?

Es bedeutet erstens, dass Russland nun sein Getreide (und wahrscheinlich auch andere Lebensmittel) nicht mehr gegen Dollar und Euro verkauft, sondern gegen Rubel oder die Währung des Partnerlandes. Das bedeutet eine weitere Schwächung des Dollar als Weltwährung, denn bisher wird Getreide international in Dollar gehandelt.

Zweitens ist der Hinweis auf die „befreundeten“ Länder wichtig, denn in Russland gibt es eine Liste der „unfreundlichen“ Länder. Das sind die Länder, die Sanktionen gegen Russland verhängt haben. Im Gegensatz zu dem Eindruck, den die westlichen Medien erwecken, ist das eine Minderheit von etwa 50 bis 60 Staaten, die alle Teil der Einflusssphäre der USA sind. Der Rest der über 190 Staaten der Welt hat keine Sanktionen gegen Russland verhängt und sich der anti-russischen Politik des US-geführten Westens nicht angeschlossen.

Dass hier also bewusst die „befreundeten“ Länder erwähnt werden, dürfte bedeuten, dass Russland den Export von Getreide und Lebensmitteln in „unfreundliche“ Länder (weitgehend) einstellen wird. Das hat Putin bereits bei seiner Rede auf dem Petersburger Wirtschaftsforum Mitte Juni angekündigt. Dort sagte er:

„Wir werden unsere Lieferungen vorrangig in die Länder leiten, in denen der Nahrungsmittelbedarf am größten ist und die Gefahr des wachsenden Hungers besteht. Zunächst einmal geht es hier um afrikanische Länder und den Nahen Osten.“

Wer liefert dem Westen jetzt Getreide?

Der Westen kann sich also endlich weniger Sorgen darüber machen, dass Russland die armen Länder der Welt verhungern lässt. Das wird nicht passieren. Russland wird sich erstens von Zwischenhändlern trennen, die russisches Getreide aufkaufen und dann meistbietend weiterverkaufen, und zweitens sein Getreide (und andere Lebensmittel) in erster Linie an die Länder liefern, die es am dringendsten brauchen.

Damit „politisiert“ Russland anscheinend seinen Getreideexport, indem nicht mehr der Preis bestimmt, wer russisches Getreide bekommt, sondern die Bedürftigkeit der Staaten. Das hat sicher den für Russland angenehmen Nebeneffekt, dass die Länder, die sich den Russland-Sanktionen bisher nicht angeschlossen haben, das auch in Zukunft nicht tun werden, um ihre Ernährungssicherheit nicht zu gefährden.

Damit könnte der Westen sich entspannt zurücklehnen, denn Russland wird die kommende globale Hungersnot so gut es geht lindern.

Da ist jedoch ein kleines Problem: Der Westen ist daran gewöhnt, dass er mit seinem aus dem nichts gedruckten Geld alles kaufen kann. Für Getreide und andere Lebensmittel wird das in Zukunft wohl nur noch eingeschränkt gelten. Aber wie will die EU eigentlich ihre Menschen ernähren, wenn die wichtigen Getreidelieferungen aus Russland (und vielleicht auch teilweise der Ukraine) wegfallen?

Sicher werden sich Wege finden, aber was das für die Lebensmittelpreise in Europa bedeuten wird, kann sich jeder an zwei Fingern abzählen.