Diese Frage war Bestandteil einer essentiellen Gerichtsverhandlung, die am 31.08.2021 in Paris an dem “tribunal judiciaire” (Oberster Gerichtshof) stattgefunden hat.
Bei diesem Rechtsstreit vertritt die Anwältin Diane Protat drei Mandantinnen, eine Ärztin, eine Krankenschwester und eine Hebamme, die bis zum 15. September 2021 laut Gesetz vom 5.08.2021 gegen Covid-19 geimpft sein müssen, um ihren Beruf weiter ausüben zu dürfen (Stichwort: Impflicht für das medizinische Personal in Frankreich).
Die Verteidigung von Maître Protat gliedert sich in vier Argumentationssträngen, wobei der erste mich am meisten überraschte und deswegen Hauptthema dieses Artikels ist.
In einem Interview für die Zeitung France Soir erklärt sie, dass die Notzulassungen der Impfstoffe halbjährlich neu beantragt und natürlich von den entsprechenden Behörden neu genehmigt werden müssen.
Das bedeutet konkret für die Impfstoffhersteller, dass Pfizer bis Ende Juni, Monderna bis Anfang Juli und AstraZeneca bis August diese Verlängerungen hätten beantragen müssen. Janssen muss dies bis zum 11. September 2021 tun.
Die Anwältin verlangte daher von dem Staat Beweise (Vorlegen der entsprechenden Dokumente), ob diese Anträge mit der erforderlichen begleitenden Akte wirklich eingereicht wurden. Sollte dies nicht der Fall sein, bedeutet das, dass Impfstoffe auf dem Markt sind, die ohne Genehmigung verabreicht werden.
Das verrückte an dieser Sache ist, dass der Staatsanwalt auf Nachfrage des Gerichts sagte, er sei nicht befugt diese Frage zu beantworten, er sei nur befugt sich zu den anderen drei Punkten der Verteidigung zu äußern. Diese Aussage sorgte im Gericht selbstredend für große Überraschung. Doch schließlich musste der Staatsanwalt zugeben, dass er nicht Bescheid wusste, wie der Stand der Dinge sei.
Wie bitte? Ein Staatsanwalt, der sich im Vorfeld mit den Argumenten der Verteidigung vertraut gemacht haben muss, war anscheinend nicht in Lage, diesen so wichtigen Punkt vorab zu klären?
Genauso haarsträubend ist, dass die erste Injektion nicht verweigert werden kann. Das Gesetz vom 5. August führt zwar eine Kontraindikation auf, doch diese betrifft nur die Kinder, bei denen momentan in Frankreich keine Impflicht besteht. Bei der zweiten Spritze sieht es anders aus: Diese kann entfallen, wenn eine Person nach der ersten Impfung eine schwere Nebenwirkung erlitten hat. Die Anwältin nennt allerdings nur die Myokarditis und das Guillain-Barré-Syndrom (ein schweres neurologisches Krankheitsbild); die anderen bereits bekannten Nebenwirkungen scheinen nicht zu gelten. Nichtdestotrotz gesteht der Staat damit ein, dass diese Injektion schwere Nebenwirkungen verursachen kann, führt jedoch eine Impflicht ein.
Sehr erfreulich ist andererseits, dass der Präsident des Tribunals den Gerichtsschreiber bat, die Antwort des Staatsanwalts offiziell zu protokollieren. Das ist ein besonderes Vorgehen, denn es bedeutet, dass seine unqualifizierte Antwort (er wisse nicht, ob die Impfhersteller ihre Hausaufgaben erledigt haben) im Gerichtsurteil erscheinen wird.
Auch diese Argumentation in der Verteidigung von der Anwältin, Diane Protat, ist extrem spannend und macht mir sogar Hoffnung:
Sie berief sich auf die europäische Verordnung über therapeutische Versuche, die das Recht auf freie und aufgeklärte Zustimmung in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthält. Das Gericht erklärte, dass, es – sollte es Zweifel an der Auslegung dieser Verordnung im Rahmen dieses Falles haben – dem Gerichtshof der Europäischen Union eine “vorläufige Auslegungsfrage” vorlegen könne. Sollte es dazu kommen, würde dies das Verfahren und die Impfplicht aussetzen, da diese Auslegung für Frankreich und alle europäischen Länder verbindlich wäre.
Die Entscheidung des Pariser Obersten Gerichts wird am 10. September verkündet.