von Ulrich Jarzina

Während alle Aufmerksamkeit der kritischen Öffentlichkeit dem Pandemievertrag und der Änderung der Internationalen Gesundheitsvorschriften für die WHO gilt, hat die EU-Kommission im vergangenen Herbst bereits eine Verordnung erlassen, die ihr die gleichen Maßnahmen ermöglicht. Eine der WHO ähnliche Gesundheitsdiktatur kann durch die EU-Kommission aus sehr weit gespannten Gründen eingerichtet werden.

Die Verordnung umfasst eine Reihe von Möglichkeiten zur “Feststellung eines gesundheitlichen Notstandes” sowie von Maßnahmen in

Bereichen wie

  • „Gesundheit in allen Politikbereichen“
  • schwerwiegende grenzüberschreitende Gesundheitsgefahr“ aufgrund biologischer, chemischer, umwelt- aber auch klimabedingter Faktoren
  • Rettung des Klimas

mit Maßnahmen wie

  • in Bezug auf Arzneimittel und Medizinprodukte
  • verstärkte Überwachung durch integriertes Überwachungssystem mit künstlicher Intelligenz
  • Bildung einer „Notfalleinsatzgruppe“
  • Erleichterung klinischer Prüfung für Arzneimittel
  • beschleunigte Zulassungsverfahren von Arzneimitteln und Medizinprodukten
  • Verbindung zwischen öffentlicher und privater Partnerschaft durch die Einbeziehung sektorübergreifender Interessengruppen

Eigentlich war es ein bloßer Zufall, auf der (vergeblichen) Suche nach dem Livestream der von TKP erwähnten Veranstaltung im EU-Parlament zum Thema WHO-Reform, war ich in der Übertragung der langen Plenarsitzung hängen geblieben. Neugierig geworden, verfolgte ich die Statements der Abgeordneten für einige Minuten, u.a. auch die kurze Ansprache der deutschen Abgeordneten Sylvia Limmer (AfD) (im Video ab 17:47:51).

Limmer erklärte, dass es ihr vor einer EU-Kommission graue, die sich per Verordnung ermächtigt habe, den EU-weiten Gesundheitsnotstand aus „klimabedingten Gefahren“ auszurufen.

Vor ein paar Jahren hätte ich derlei Äußerungen mit einem „kann ich mir nicht vorstellen“ abgetan. Wenn aber die Erfahrungen der Coronazeit eines gezeigt haben, dann, dass dem politischen Größenwahn scheinbar keinerlei Grenzen gesetzt sind. Auch wenn eine Maßnahme noch so widersinnig und abstrus erscheint – beschlossen wird sie dennoch, meist unter donnerndem Applaus der Massenmedien.

Im Falle der von Limmer erwähnten EU-Verordnung hatten sich die Massenmedien jedoch erstaunlich zurückhaltend verhalten. Auch die neuen/alternativen Medien hatten das Thema kaum bis gar nicht auf dem Schirm. Das weckt Erinnerungen an ein berühmtes Zitat von Jean-Claude Juncker:

“Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.”

Was aber hat die EU nun beschlossen? Bevor ich darauf eingehe, möchte ich mich zunächst herzlich bei zwei Stellen bedanken: Zum Einen bei Rechtsanwältin Brigitte Röhrig, sowie beim Büro von Frau Limmer selbst. Beide stellten mir sehr schnell (und unabhängig voneinander) den Text der Verordnung zur Verfügung, den Sie hier nachlesen können.

Was steht nun drin?

Zunächst einmal geht es darum, dass die EU-Kommission eine „gesundheitliche Notlage auf Unionsebene“ feststellen kann. Wem da die „epidemische Notlage nationaler Tragweite“ in den Sinn kommt – es ist so ziemlich dasselbe, nur eben eine Stufe höher. Statt einer Nation ist nun die gesamte EU betroffen, wenn die Kommission dies wünschen sollte. Sie haben richtig gelesen: Im Gegensatz zu den Regelungen auf nationaler Ebene, wo die Parlamente, zumindest pro forma, der faktischen Entrechtung der Bevölkerung zustimmen mussten, kann dies auf EU-Ebene die Kommission nach Art. 23 Abs. 1 ohne parlamentarischen Vorbehalt tun:

„Bei schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 kann die Kommission, nach Berücksichtigung etwaiger Gutachten des ECDC, anderer einschlägiger Agenturen oder Einrichtungen der Union oder des in Artikel 24 genannten Beratenden Ausschusses, formell eine gesundheitliche Notlage auf Unionsebene feststellen; dies schließt Pandemien ein, bei denen die betreffende schwerwiegende grenzüberschreitende Gesundheitsgefahr die Gesundheit der Bevölkerung auf Unionsebene gefährdet.“

Was wären die Folgen einer solchen „gesundheitlichen Notlage auf Unionsebene“?

Hier sollte man einen Blick in Artikel 25 werfen, der mit „Rechtliche Wirkung der Feststellung“ überschrieben ist. Dort heißt es, in Hinblick auf die Maßnahmen, die eingeführt werden könnten, bereits unter „a)“:

Maßnahmen, die während der gesundheitlichen Notlage anwendbar sind, mit Bezug auf Arzneimittel und Medizinprodukte gemäß der Verordnung (EU) 2022/123;“

Will man diesen kurzen Abschnitt verstehen, ist es nötig, sich mit der Verordnung 2022/123 zu befassen. Diese ist Teil des „One Health“-Ansatzes der WHO .

Bemerkenswert an der Verordnung 2022/123 ist, dass sie ab Kapitel III, die Dinge aufführt, die bereits während Corona nicht wirklich funktioniert, sondern, im Gegenteil, großen Schaden angerichtet haben. So ist z.B. die Bildung einer „Notfalleinsatzgruppe“ vorgesehen, der u.a. die Aufgabe der „Erleichterung klinischer Prüfung für Arzneimittel“ obliegt, „die dazu bestimmt sind, die Krankheit zu behandeln, zu verhüten oder zu diagnostizieren, die die Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit verursacht“ ( vgl. Art. 15, c) ). Das kennt man doch von irgendwoher.

Auch die folgenden Artikel behandeln die Frage eines beschleunigten Zulassungsverfahrens von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Dass dies (wieder einmal) mit „Lichtgeschwindigkeit“ erfolgt, kann niemand ernsthaft wollen, der in den letzten drei Jahren einigermaßen bei Verstand war.

Artikel 20 der Verordnung 2022/123 geht auf die Verarbeitung von Gesundheitsdaten ein. Gemäß Buchstabe c) führt die EMA, zwecks Unterstützung der „Notfallgruppe“ Folgendes durch:

im Rahmen ihrer Regulierungsaufgaben Nutzung digitaler Infrastrukturen oder IT-Hilfsmittel, um den schnellen Zugang zu verfügbaren elektronischen, außerhalb klinischer Studien gewonnenen Gesundheitsdaten oder deren Analyse und den Austausch solcher Daten zwischen den Mitgliedstaaten, der Agentur und anderen Einrichtungen der Union zu erleichtern;

Wenn Sie bei „außerhalb klinischer Studien gewonnener Gesundheitsdaten“ an die elektronische Patientenakte denken, liegen Sie vermutlich richtig. Eine „gesundheitliche Notlage auf Unionsebene“ könnte daher durchaus zur Folge haben, dass Ihre persönlichen Gesundheitsdaten europaweit die Runde machen – alles nur zum höheren Wohl der Union, versteht sich.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die „Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA)“ hinzuweisen, die, ebenfalls von vielen unbemerkt, 2022 ihre Arbeit aufnahm.

Auch bei der Schaffung HERA geht es darum, Vorsorge für „schwerwiegende grenzüberschreitende Gefahren“ zu treffen. Schaut man in die dazugehörige Pressemeldung der Kommission, ist unter dem Punkt „Reinforce surveillance“ Folgendes zu finden:

„Verstärkte Überwachung: Auf EU-Ebene wird ein verstärktes, integriertes Überwachungssystem geschaffen, das künstliche Intelligenz und andere fortschrittliche technologische Mittel nutzt.“

Im selben Dokument ist auch von der Stärkung des „Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten“ (ECDC) die Rede. Auch hier geht es um eine verbesserte Überwachung im Krisenfall.

Das alles geschieht selbstverständlich nur zu unserer Sicherheit und die so gewonnen Daten werden auch ganz bestimmt nicht zu anderen Zwecken verwendet, davon können wir fest überzeugt sein – oder auch nicht.

Im selben Zusammenhang gehört auch die Einrichtung der „EU Health Taskforce“ angesprochen, einer Institution, die, laut eigener Aussage, folgende Ziele verfolgt:

„Die EHS-Taskforce wurde aufgrund des beachtlichen Erfolgs des jährlich stattfindenden Europäischen Gesundheitsgipfels ins Leben gerufen. Diese Plattform wurde entwickelt, um neben der Organisation hochrangiger jährlicher Veranstaltungen die Politik im Gesundheitsbereich voranzutreiben.

Ziel ist es nicht nur, ein größeres Gesundheitsnetzwerk zu schaffen und für Sichtbarkeit zu sorgen, sondern auch den Prozess der Politikgestaltung auf europäischer Ebene zu steuern und die Verbindung zwischen öffentlicher und privater Partnerschaft durch die Einbeziehung sektorübergreifender Interessengruppen zu stärken.“

Wir halten fest: Gerade im Falle „schwerwiegender grenzüberschreitender Gefahren“ wird eine Institution besonders aktiv, die sich das Prinzip der „public-private-partnership“ in Großbuchstaben auf die Fahnen geschrieben hat. Dabei handelt es sich regelmäßig darum, dass Steuergelder zu Konzernen verschoben werden. So hat etwa die EU-Kommission 5,4 Milliarden C19-Vakzin Dosen für 450 Millionen EU-Bürger um über 110 Milliarden Euro gekauft. Einen großen Teil davon durch geheimgehaltene SMS-Nachrichten zwischen der Kommissionspräsidentin und dem Pfizer CEO.

Kehren wir zur ursprünglichen Verordnung 2022/2371 zurück. Ein Wort, das sich über 130 Mal im Text wiederfinden lässt, ist „Maßnahmen“ – ebenfalls ein Begriff, der uns in den letzten drei Jahren reichlich begegnete. Die Aussage, wir hätten, insbesondere im deutschsprachigen Raum, während dieser Zeit einen „Maßnahmenstaat“ erlebt, ist, denke ich, sicherlich nicht unpassend. Wer Ernst Fraenkels Buch „Der Doppelstaat“ kennt, weiß, wovon ich spreche.

Die Unterscheidung Fraenkels zwischen einem „Normenstaat“, der die Rechtssicherheit aufrecht erhält und der (Rechts?)-praxis „der unbeschränkten Willkür und Gewalt“ im „Maßnahmenstaat“, die durch „keinerlei rechtliche Garantien eingeschränkt ist“, war schon vor Corona hilfreich, um das Handeln staatlicher Akteure einordnen zu können, wie es Dirk Pohlmann 2018 in einem sehr sehenswerten Vortrag demonstrierte.

Während der angeblich schlimmsten Pandemie aller Zeiten ist Fraenkels Unterscheidung zur Kontrastfolie schlechthin geworden, vor deren Hintergrund man das politische Geschehen verstehen und einordnen konnte. Schaut man sich die aktuellen Entwicklungen in der EU und WHO an, scheint man seitens der Politik Gefallen am „Maßnahmenstaat“ gefunden zu haben – und das nicht nur im Bereich Gesundheit im engeren Sinne.

Vielmehr wurde der Gesundheitsbegriff derart ausgedehnt, dass er alle Lebens- und Politikbereiche umfasst. Nicht umsonst spricht Verordnung 2022/2371 von „Gesundheit in allen Politikbereichen“ und meint damit

„einen Ansatz für die Entwicklung, Umsetzung und Überprüfung öffentlicher Maßnahmen in sämtlichen Bereichen, bei dem den Auswirkungen von Entscheidungen auf die Gesundheit Rechnung getragen wird und der auf Synergien und auf die Abwendung schädlicher Gesundheitsauswirkungen dieser Maßnahmen abzielt, sodass die öffentliche Gesundheit und die Gesundheitsgerechtigkeit verbessert werden

(Wie sich die „Gesundheit in allen Politikbereichen“ mit Waffenlieferungen in die Ukraine vereinbaren lässt, kann in diesem Artikel leider nicht Thema sein. Da mag sich jeder selbst seine Gedanken machen.)

Die ans Totalitäre grenzende Ausdehnung des Gesundheitsbegriffes hat zur Folge, dass eben dieser Gesundheit von allen Seiten Gefahr droht. Eine „schwerwiegende grenzüberschreitende Gesundheitsgefahr“ kann, so Artikel 2 der Verordnung, aufgrund biologischer, chemischer, umwelt- aber auch klimabedingter Faktoren zustande kommen.

Sie haben richtig gelesen: „Klimabedingte Gefahren“ rechtfertigen das Ausrufen eines EU-weiten Gesundheitsnotstandes seitens der EU-Kommission, mit all den oben aufgeführten Folgen. Klingt abstrus? Nicht für Karl Lauterbach. Dieser sah bereits im vergangenen Jahr im Klimawandel die „Mutter aller Probleme“, weswegen er Energie-, Umwelt- und Gesundheitspolitik zu verknüpfen suchte. Der Vorsitzende der „Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit“, Martin Herrmann, pflichtete ihm bei:

„Das bedeutet, wer nicht für die Energiewende eintritt und sie persönlich wie gesellschaftlich umsetzt, trägt Verantwortung für die gesundheitlichen Schäden an Leib und Leben.“

Es dürfte wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis sich die Hirschhausens dieser Welt wieder vor den Karren spannen lassen, um diejenigen als „asoziale Trittbrettfahrer“, „Schwurbler“ oder gar als „unnützen Blinddarm“ bezeichnen, die diese Politik nicht mitgehen wollen. Ob Herrn Blomes Zeigefinger schon juckt?

Vielleicht verhängt Ursula von der Leyen auch einen Lockdown aus klimapolitischen Gründen – und das nur, weil Sie nicht brav Ihre Mehlwürmer und Hausgillen gegessen und Wärmepumpen installiert haben.

Gemäß der aktuellen Verordnungslage könnte sie es – und kaum einer hat es mitbekommen. Der Doppelstaat geht in die nächste Runde.


Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln nicht unbedingt die Ansichten der fixen Autoren von TKP wieder. Rechte und inhaltliche Verantwortung liegen beim Autor.

Ulrich Jarzina ist ein historisch sehr beschlagener TKP-Leser.


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