Russland hat mehrfach davor gewarnt, der Ukraine Waffen zu schicken, mit denen sie russisches Gebiet beschießen kann. Und Russland hat angekündigt, dass ein solcher Beschuss des russischen Hinterlandes eine rote Linie ist, die den Konflikt eskalieren würde. Russland könnte den Lieferanten solcher Waffen als Kriegspartei einstufen, was zu einem großen Krieg führen könnte.

Die Rede ist von Mehrfachraketenwerfern des Typs HIMARS, der mit Raketen unterschiedlicher Reichweite bestückt werden kann. Die maximale Reichweite dieser Raketen liegt bei 300 Kilometer. Noch vor wenigen Tagen haben die USA ausgeschlossen, dass sie der Ukraine HIMARS mit solchen Raketen liefern würden, die Rede war von Raketen mit einer Reichweite von „nur“ 80 Kilometern.

Nun hat man es sich in den USA plötzlich anders überlegt und liefert der Ukraine doch die Raketen mit einer Reichweite von 300 Kilometern. Das hat US-Präsident Biden entschieden.

Das Ehrenwort

Als Grund wird in den USA angegeben, dass die Ukraine den USA hoch und heilig versprochen hat, die Raketen nicht auf russisches Gebiet abzufeuern, sondern nur auf ukrainisches. Die Ukraine hat den USA sozusagen ihr Ehrenwort gegeben.

Was Versprechen aus Kiew wert sind, haben die acht Jahre Minsker Abkommen gezeigt, als Kiew nicht eine einzige der eingegangenen Verpflichtungen umsetzt hat. Auch die USA haben aus Kiew nichts als das Versprechen bekommen, die Raketen nicht auf Russland abzufeuern. Auf die Frage, wie die USA reagieren, wenn Kiew sich daran nicht hält, konnte ein Pentagonsprecher keine Antwort geben, er sagte lediglich, man hoffe, die Ukraine werde sich an ihre Erklärungen halten.

Hinzu kommt, dass die USA und die Ukraine zum Beispiel die Krim nicht als russisches, sondern als ukrainisches Gebiet ansehen. Sollte Kiew mit den Raketen die Krim beschießen, könnte es sich darauf berufen, sein gegebenes Wort nicht gebrochen zu haben.

Droht eine direkte Konfrontation zwischen Russland und den USA?

Bei all dem darf man nicht vergessen: In Kiew hofft man inständig darauf, dass die NATO in den Konflikt eingreift und die Ukraine nicht nur mit warmen Worten und vielen Waffen, sondern mit einem Kriegseintritt und Soldaten unterstützt. Wenn man in Kiew glaubt, dass der Beschuss russischen Territoriums Russland dazu bringt, die USA als Kriegspartei anzusehen und Russland als Vergeltung zum Beispiel von Syrien aus amerikanische Kriegsschiffe im Mittelmeer angreift, wäre das für Kiew ein Argument für den Beschuss russischen Gebiets, nicht dagegen.

Der russische Vize-Außenminister Rjakow hat in einem Interview davor gewarnt, dass solche Waffenlieferungen das Risiko einer direkten Konfrontation mit den USA erhöhen. In dem Interview hat er auch daran erinnert, dass die USA nichts tun, was eine friedliche Lösung des Konflikts unterstützen könnte, sondern stattdessen die Lage durch immer neue Sanktionen und Waffenlieferungen weiter eskalieren.

Im Kreml glaubt dem ukrainischen Ehrenwort nicht. Kremlsprecher Peskow sagte, dass man, um ukrainischen Versprechen glauben zu können, „Erfahrung mit Fällen haben muss, in denen gegebene Versprechen eingehalten“ wurden. Im Falle von Kiew habe man solche Erfahrungen jedoch nicht gemacht. Zu der Frage, was passieren würde, wenn Kiew die Raketen für Angriffe auf russisches Gebiet nutzt, sagte Peskow nur:

„Lassen Sie uns nicht über die schlimmsten Szenarien sprechen.“

Laut amerikanischen Angaben sollen die HIMARS schon in vier Tagen in der Ukraine eintreffen.