„Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!“ lässt Schiller in Don Carlos den Malteserritter Marquis von Posa zmm spanischen König Philipp II. sagen. Schiller zählt zu den meistgespielten Autoren auf deutschsprachigen Bühnen, das allgemeine Bewusstsein der Deutschen hat er aber verlassen. Und das, obwohl das Werk des Freiheitskünders an politischer Aktualität nichts verloren hat.
Unabdingbar mit Gedankenfreiheit verbunden ist die Möglichkeit zu unbeobachteter, privater Kommunikation. Das Recht musste gegen den Widerstand der Kirchen und der Herrschenden erkämpft werden, was Schiller in seinem Don Carlos thematisiert. Nun soll es wieder abgeschafft werden.
Seit etwa 45 Jahren wird ein immer stärkerer Anteil der Kommunikation elektronisch und digital abgewickelt. Um unbeobachtet kommunizieren zu können, ist eine Ende-zu-Ende Verschlüsselung notwendig. Und seit es diese gibt, fordern unbedarfte Politiker die Möglichkeit von Hintertüren.
Politiker, die behaupten, man könne die Sicherheit garantieren, wenn nur auf richterlichen Befehl eine Kommunikation entschlüsselt wird, dokumentieren lediglich ihre Ahnungslosigkeit. Bei der jetzigen Politiker-Generation überrascht das allerdings wenig. Ein durchgesickertes Dokument zeigt die EU-Länder, die private Nachrichtenübermittlung verbieten wollen. Es ist der Plan zur Abschaffung der Privatsphäre.
Eine Umfrage des Europäischen Rates über die Ansichten der Mitgliedsländer zur Verschlüsselung zeigt, dass Spanien ein Verbot der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung stark befürwortet, wie das angesehene Technologie-Magazin Wired berichtet. Wie üblich bei den Versuchen zur Abschaffung von Grundrechten und Einführung von Überwachung und Zensur, wird eine angebliche Bekämpfung der Verbreitung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch (child sexual abuse material CSAM) vorgeschützt.
Das vorgeschlagene Gesetz würde Technologieplattformen dazu verpflichten, verschlüsselte Kommunikation zu scannen, was nach Ansicht von Technikexperten nicht möglich ist, ohne die Verschlüsselung zu knacken.
Apple, Google, Microsoft, Facebook/WhatsApp und andere haben schon vor einiger Zeit erkannt, dass es für sie ein Marketing-Vorteil ist, wenn sie ihren Kunden Sicherheit gegen Überwachung und gegen Kriminelle bieten können. Und wohl auch aus dem ehrlichen Bemühen die Daten der Kunden zu schützen, ihre Privatheit zu garantieren und sie vor Attacken von kriminellen Hackern zu bewahren. Deshalb haben sie eine Reihe von Maßnahmen ergriffen:
- Verschlüsselung der Daten am Gerät
- Verschlüsselung der Daten in der Kommunikation
- laufende Behebung von Fehlern und Lücken, die das Eindringen von Kriminellen ermöglichen (früher Jailbrak bei Apple)
Verschlüsselung ist aber nur dann sicher, wenn der Schlüssel nicht offen herumliegt oder jeder gezwungen werden kann, ihn herauszugeben. Deshalb werden die ‘private keys’, die nötig sind um eine Kommunikation oder die Inhalte eines Gerätes (Smartphone, PC) zu entschlüsseln, nicht auf zentralen Servern aufbewahrt, sondern ausschließlich auf dem Gerät des Users und zwar so in der Hardware versteckt, dass man nicht daran herankommt.
WhatsApp, Signal, Telegram, Threema und andere Chat-Dienste haben die Schlüssel nicht, die man zum Belauschen der Kommunikation benötigt.
Laut dem Dokument, das Wired vorliegt, ist Spaniens Position in Sachen Verschlüsselung die radikalste.
“Idealerweise wäre es unserer Ansicht nach wünschenswert, die in der EU ansässigen Diensteanbieter gesetzlich daran zu hindern, eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung einzuführen”, so die Vertreter Spaniens.
Von den 20 Mitgliedsländern, die in der Umfrage vertreten waren, unterstützen 15 das Verbot von Ende-zu-Ende-verschlüsselter Kommunikation, heißt es in dem Bericht.
Polen schlug die Einführung von Maßnahmen vor, die es einem Gericht ermöglichen würden, die Verschlüsselung aufzuheben und den Eltern die Entschlüsselung der Kommunikation ihrer Kinder zu gestatten.
“Es ist von größter Wichtigkeit, in der CSA-Verordnung klar zu formulieren, dass eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung kein Grund ist, CSA-Material nicht zu melden“, sagten die Vertreter Kroatiens.
Rumänien: “Wir wollen nicht, dass die E2EE-Verschlüsselung zu einem ‘sicheren Hafen’ für böswillige Akteure wird…”
Slowenien: “Aufdeckungsbefehle müssen notwendigerweise auch für verschlüsselte Netzwerke gelten.”
Irland und Dänemark wollen, dass Nachrichten auf CSAM gescannt werden, ohne die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu verbieten, was nicht möglich ist. Die Niederlande erklärten, dass es möglich sei, Inhalte auf einem Gerät zu scannen, bevor sie als verschlüsselt an einen Empfänger gesendet werden.
„Es gibt … Technologien, die eine automatische Erkennung von CSAM ermöglichen und gleichzeitig die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung intakt lassen”, sagten die Vertreter des Landes. Das ist schlicht und einfach Unsinn.
Andere Länder wie Ungarn und Zypern unterstützten den Vorschlag, da er die Strafverfolgung erleichtern würde.
Italien, Deutschland, Finnland und Estland lehnen die Aufhebung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung allerdings ab. Deutschland sagte, es würde kein Gesetz unterstützen, das Technologien zulässt, die die Verschlüsselung umgehen, modifizieren oder stören würden.
Finnland forderte die EU-Kommission auf, Lösungen zur Bekämpfung von CSAM zu finden, ohne die Verschlüsselung zu untergraben.
Estland warnte, dass Unternehmen, die gezwungen würden, verschlüsselte Nachrichten zu scannen, aus dem europäischen Markt ausscheiden würden.
Italien sagte, der Vorschlag würde “eine allgemeine Kontrolle der gesamten verschlüsselten Korrespondenz, die über das Internet verschickt wird, darstellen”.
Bild von Biljana Jovanovic auf Pixabay
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