Aktion am Mittwoch in Hessen

Zahlreiche Ärzte in Hessen wollen aus Verärgerung über die Gesundheitspolitik der Ampel-Regierung am Mittwoch ihre Praxen nicht aufmachen. Der Protest richtet sich in erster Linie gegen die beabsichtigte Beendigung der Neupatientenregelung. Zudem geht es den Medizinern um die in ihren Augen generell schlechten Bedingungen für die ambulante Versorgung. Auslöser der Aktion sei ein Protestgipfel von ärztlichen Berufsverbänden Mitte Oktober in Hessen gewesen, sagt Jan Henniger, niedergelassener Chirurg in Frankfurt, der „Frankfurter Allgemeinen“ (FAZ). Die Einschätzung des Arztes: „Da spürte man, da kocht etwas über.“

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„Auf verschiedene Weise versucht der Bund seit Jahren, die ambulante Versorgung durch niedergelassene Ärzte zu stärken“, schreibt die Zeitung und übernimmt damit das Narrativ der Bundesregierung. Denn Kritiker sehen das anders. Im konkreten Fall geht es um eine Art „Tausch“. Die Mediziner sollten fünf zusätzliche Sprechstunden jede Woche anbieten. Im Gegenzug verschaffte die Regierung mit der Neupatientenregelung den Ärzten ein zusätzliches Honorar als Anreiz, neue Patienten aufzunehmen und sich nicht auf Stammkunden zu beschränken, wie das bei immer mehr Praxen aufgrund ihrer Überlastung üblich ist. Seit der Neuregelung verdienen Ärzte an neuen Patienten mehr. „Damit soll kompensiert werden, dass ein Kranker, dessen Vorgeschichte ein Mediziner erst erfragen muss, weitaus mehr Zeit in Anspruch nimmt als ein langjähriger Patient“, schreibt die „FAZ“ in ihrem Beitrag. „Doch dieser Bonus soll aus Gründen der Ersparnis von Januar an ersatzlos gestrichen werden.“

Ärzte wie Henninger befürchten nun weitreichende Folgen der Streichung.  „Das kann dazu führen, dass Patienten vom nächsten Jahr an Schwierigkeiten haben werden, einen neuen Arzt zu finden“, sagte der Arzt dem Blatt. Besonders pikant: Ausgerechnet der jetzige Bundesgesundheitsminister hat sich selbst noch vor Jahren für die Neupatientenregelung eingesetzt. Unter anderem mit der Begründung, dass sie dazu beitrage, dass Kranke, „die keinen Arzt in angemessener Zeit fänden, nicht zur Behandlung in Kliniken“ ausweichen. Nun werde der Zulauf in die Krankenhäuser bzw. die Ambulanzen wieder steigen und diese damit noch stärker belastet. „Dabei wollten wir ja verhindern, dass alle in die Kliniken laufen“, sagte Henniger der „FAZ“. „Wir als niedergelassene Ärzte werden nicht mehr wahrgenommen von der Politik.“

Bemerkenswerte Kehrtwende

Laut dem Arzt macht neben der Streichung die anziehende Inflation den Medizinern zu schaffen: Sie bedeute wachsende Gehälter für Mitarbeiter und höhere Ausgaben für Mieten und Energiekosten. Während also auf der einen Seite die Ausgaben steigen, wollen die Krankenkassen – die gerade Millionen für einen Brief des Ministers ausgeben mussten – das monatliche Budget für Ärzte „auf Jahre festschreiben, ohne Aussicht auf Anpassung“, so die FAZ. „Verschreiben Ärzte über dieses Budget hinaus, können sie ihre Leistung nur noch anteilig abrechnen – ein Verlustgeschäft. Dabei steht im Koalitionsvertrag der Ampelparteien SPD, FDP und Grüne: ‘Wir heben die Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich auf.‘“

Jetzt droht also genau das Gegenteil von dem zu kommen, was im Koalitionsvertrag steht. Eine bemerkenswerte Kehrtwende. Die viele Mediziner völlig vor den Kopf stößt. „Wir sind alle nicht verarmt, aber wir wissen nicht, wo das alles hinführen soll“, klagt Henniger im Gespräch mit der „FAZ“.  Seiner Ansicht nach drohen vor allem niedergelassene Ärzte, die besonders in der Fläche für die Patientenversorgung unverzichtbar seien, mit der Budgetierung immer mehr in Schwierigkeiten geraten.

Wie viele Ärzte am Mittwoch ihre Praxen schließen werden, ist laut „FAZ“ nicht bekannt. Ebenso unklar ist, ob der „Ärzte-Streik“ Signalwirkung haben wird und sich Mediziner in anderen Bundesländern anschließen oder später ähnliche Aktionen machen werden.

Quelle: reitschuster.de